Osterholz-Scharmbeck. Schränke und Regale mussten abgeschraubt, eine Küchenzeile eingebaut, unzählige Kisten eingepackt, geschleppt und ausgepackt werden. Der Umzug der Osterholzer Tafel in den vergangenen Tagen war ein Großprojekt. Umso mehr freute sich die Cheforganisatorin Lotta Kohlmann über das große Team an Helfern. „50 Menschen waren gekommen, um anzupacken. Das ist fantastisch.“ Nach vielen Jahren in der Loger Straße hat die Tafel nun ihren Sitz in der Innenstadt von Osterholz-Scharmbeck, direkt am Brigitte-Escherhausen-Platz, wo einst eine Spielothek drinsteckte.
Trotz des Trubels konnte schon am Donnerstag wieder Essen ausgegeben werden. Die Helfer gaben ordentlich Gas, damit kein Lebensmittel schlecht wird und handelten nach dem Leitsatz: „Hauptsache, die Kunden haben etwas in der Tasche“. Der Haupteingang war nicht rechtzeitig fertig geworden und auch die lauten Töne von Bohrmaschinen und Co. rauschten noch durch die Räume. Das macht alles nichts, die Kunden nahmen den Nebeneingang und folgten den auf dem Boden geklebten Füßen.
Neben Lotta Kohlmann behielt auch Alexander Horn den Überblick beim Umzug. Durch seine Tante war der 29-Jährige bei der Tafel eingestiegen und an jedem Umzugstag dabei: „Wir haben die Möbel für das Umzugsunternehmen bereitgestellt, Lebensmittel sortiert, ausgepackt, geputzt und klar Schiff gemacht.“ Auch außerhalb des Umzugs möchte Alex weiterhin im Rahmen seiner Möglichkeiten helfen.
Katrin Briese und Barbara Stukenborg waren am Donnerstag fleißig am Einsortieren der Kühltruhen. Briese: „Ich bin seit Corona bei der Tafel. Meine Tochter war hier sehr stark engagiert und hat mich überzeugt, mitzumachen. Wir sind ein gutes Team, es fühlt sich gut an, hier zu helfen. Es ist auch spannend, beim Umzug dabei zu sein.“ Beide sind sonst rund ein bis zwei Stunden vor Ort. Für Katrin Briese gehört die Tafel zum Leben dazu. Sie findet es schade, dass es Diskussionen zum neuen Standort gibt.
Beim Obst und Gemüse half Linus Stubbemann beim Sortieren. Linus war zum ersten Mal dabei. Schnell war er überzeugt von der positiven Arbeit und berichtete begeistert, dass er gerne weiter ehrenamtlich helfen möchte. Stubbemann: „Superstark, dass die Leute hier ihre Freizeit verbringen, helfen und dabei alle gute Laune haben. Krass, dass sich so viele Leute engagieren.“
Eingearbeitet wird Linus von Gabriele Vogel-Schröder. Sie hilft seit acht Jahren in der Tafel und merkt augenzwinkernd an: „Ich habe damals eine Anzeige in der Zeitung gelesen und mich zur Überraschung meiner Familie für die Tafel entschieden. Erstaunlicherweise wurde ich auch angenommen. Ich höre hier erst wieder auf, wenn ich zusammenbreche. Man lernt so viele nette neue Leute kennen. Wir sind eine großartige Truppe, können gut miteinander arbeiten und haben eine Menge Spaß dabei.“
Helmut Oßmer ist sogar zwei Tage vor Ort. Er kennt den ganzen Weg der Lebensmittel, hilft als Beifahrer, bei der Ausgabe und beim Sortieren. Seine Gründe für die Tafel: „Ich bin Rentner geworden, hatte Zeit und habe festgestellt, dass es Spaß macht zu helfen.“ Vor der ersten Ausgabe verschafft er sich einen Überblick, damit er weiß, wie viel jeder Kunde bekommen kann. Dank seiner zwölfjährigen Erfahrung funktioniert dies super.
Noch länger, nämlich von Anfang an, sind Frauke Bergner und Lieselotte Weitbrecht dabei. Lieselotte Weitbrecht schon immer, also ungefähr 15 Jahre, beim Brot. „Weil mir Brot am Herzen liegt“, führt Weitbrecht aus, die früher bei Bäcker Budelmann gearbeitet hat. Ebenfalls am Herzen liegen ihr die Kunden, und das hat ganz besondere Gründe. Weitbrecht: „Ich weiß, was Hunger heißt. Ich habe selbst als Kind gehungert. Wir waren Flüchtlinge aus Pommern und hatten das Gefühl, nicht erwünscht zu sein. Oft habe ich vor der Tür gesessen und vor lauter Hunger geweint. Deswegen ist es mir ein Anliegen hier zu helfen.“
Frauke Bergner suchte und fand als Rentnerin eine sinnvolle Aufgabe. Bergner koordiniert den Ablauf und den Personaleinsatz bei der Ausgabe und schaut, welche Ware in welcher Menge vorhanden ist. Bergner: „Im Moment haben wir ein wenig Chaos, aber das war zu erwarten. Wir freuen uns hier am neuen Standort über eine Küchenzeile und einen kleinen Aufenthaltsbereich. Für mich gehört die Tafel in die Innenstadt. Ich habe auch nicht das Gefühl, dass die Leute sich schämen. Wir vermissen hier die älteren Frauen mit kleinen Renten. Wir wissen, dass es diese gibt, aber die trauen sich wohl häufig nicht.“
Ausschließlich Gewinner sieht Volker Müller bei der ehrenamtlichen Arbeit der Tafel: „Es gibt keine Verlierer. Die Märkte können gespendete Lebensmittel abschreiben und sparen Entsorgungsgebühren, und die Kunden profitieren von den Lebensmitteln.“ Müller ist als Fahrer tätig, fährt bekannte Märkte ab und spricht neue Märkte an. Die Touren führen ihn zu Märkten von Wallhöfen bis nach Ritterhude, zur Tafel nach Delmenhorst und in den Hafen von Bremerhaven. Einige werden beinahe täglich, andere wöchentlich angefahren. Volker Müller ist seit 2020 dabei, als sogenannter engagierter Ruheständler. Mit seinem Eintritt in den Ruhestand verpflichtete der sich seinem Arbeitgeber gegenüber mit 1.000 Sozialstunden. Diese hatte er bei den Tafeln in Lilienthal und Osterholz bereits im ersten Jahr abgeleistet und blieb dabei.
Die Osterholzer Tafel wird vom Diakonischen Werk des evangelischen Kirchenkreises Osterholz betrieben und ist mit ihrer Ausgabestelle in die Kirchenstraße 13 in Osterholz-Scharmbeck gezogen. Pro Ausgabetag kommen ungefähr 100 Kunden zur Tafel. Erwachsene zahlen 1,50 Euro, Kindern einen Euro, alle Kunden sind registriert. Neben den Spenden kommen auch viele Lebensmittel im Austausch von anderen Tafeln, insbesondere aus Delmenhorst, wo viele Lebensmittel gespendet werden. Ansprechpartnerin für die Tafel ist Lotta Kohlmann, erreichbar unter der Telefonnummer 04791 80 684 und per Mail unter Lotta.Kohlmann@evlka.de.