Kirche ist nicht nur Gottesdienst

Pressemitteilung Ritterhude, 08. September 2024

Perspektiven in der Altenpflege ist ein großes Thema der Kirchenkreissynode

Am vergangenen Freitag tagte die Kirchenkreissynode des evangelisch-lutherischen Kirchenkreises Osterholz-Scharmbeck im Hamme Forum in Ritterhude. Im Mittelpunkt stand dabei die Zukunft der Diakonie mit dem Schwerpunkt der Altenpflege. Hans-Werner Hinnenthal berichtete über Herausforderungen und Perspektiven, die verschiedenen Einrichtungen der Kirchen stellten sich zu diesem Thema vor. Zudem beschloss die Synode, die befristete Erhöhung einer Pfarrstelle in Meyenburg.

 Die Zahlen, die Hinnenthal, Senior Berater der Unternehmungsberatung Hinnenthal Consulting, mit nach Ritterhude gebracht hatte, sind beängstigend. Hintergrund: Allein im Landkreis Osterholz werden in den nächsten drei Jahren über 400 neue Pflegekräfte benötigt. Mehr als 7500 Menschen galten im Jahr 2021 kreisweit als pflegebedürftig, ein Plus von 86 Prozent gegenüber 2011. Dazu nimmt die Zahl der Personen im arbeitsfähigen Alter ab, die Anzahl der Pflegebedürftigen steigt. Hinnenthal: „Die Einrichtungen brauchen 36 Prozent mehr Personal, als sie heute an Stellen haben.“

Wer im Internet schaut, findet eine riesige Menge an Pflegeangeboten im Landkreis“, wusste der Vortragende. Aber wie sieht die Zukunft aus? Laut Hinnenthal müssten 60 Prozent der Schulabgänger in soziale Berufe gehen, um in diesem Bereich den Fachkräftemangel zu beseitigen. Tatsächlich sind es drei Prozent. Es hieße zu oft, der Beruf sei unattraktiv. Diesen Aussagen schiebt Hinnenthal einen Riegel vor: „Altenpfleger ist ein sehr erfüllender Beruf. Altenpflege ist der bestbezahlte Beruf in der Ausbildung undes hat Anpassungen gegeben, so dass die Tarife mittlerweile attraktiv geworden sind. In den Medien findet man nur schwierige Seiten aufgelistet, erfüllende schöne Seiten haben auch ihren Platz verdient. Im Freundeskreis muss man sich fast entschuldigen, diesen Beruf ergriffen zu haben. So viel zum Desaster.“

 In den kommenden Jahren steht die Gesellschaft vor großen Herausforderungen, denen es mit Kreativität zu begegnen gilt.  Künstliche Intelligenz (KI) könne auch in der Pflege eine große Hilfe bieten. Hinnenthal führte VR-Brillen auf, die unter anderem einen Museumsbesuch ersetzen können und den Roboter Keiko (Kognitiv und empathisch intelligente kollaborierender Roboter). Hinnenthal: „Klar können die Roboter keine Beziehung ersetzen, aber sie können unterstützen und die Pflegekräfte entlasten.“

 Routineaufgaben seien denkbar, wie das Heben und Bewegen von Patienten, das Messen von Vitalparametern und das Abnehmen von vielen unnötigen Wegen, um unter anderem das Essen zu bringen. Dadurch können Pflegekräfte mehr Zeit für zwischenmenschlichen Umgang gewinnen. Keiko könnte aber auch Gesellschaft leisten, mit den Patienten kommunizieren oder vorlesen. Die Alternative wäre, dass niemand kommt. KI kann auch die Dokumentation vereinfachen. Hinnenthal: „Was nicht dokumentiert wird, das wurde auch nicht gemacht und wird auch nicht bezahlt. Hier gibt es bereits Apps, die diese Aufgabe deutlich vereinfachen.“ Zur weiteren Entlastung führte Hinnenthal digitale Beratungsdienste und digitale Nachbarschaftshilfe an.

 Eine weitere Möglichkeit ist die Gewinnung von Personal aus dem Ausland. Hinnenthal: „Das Problem hierbei ist oft die fehlende soziale und kulturelle Anbindung. Wir müssen Heimat bieten, um neu gewonnene Mitarbeitende zu binden.“ Viel unnötige Kraft koste auch der Wettbewerb. Gemeinsame Projekte zur Personalgewinnung, zentrale Steuerung von Anfragen und Bewerbern, gemeinsame Programme und Verwaltung senke die Kosten und steigere Verfügbarkeiten. Der Fachmann: „Es geht nur zusammen.“

 Superintendentin Jutta Rühlemann: „Die Fülle und die Größe der Herausforderung wurden uns aufgezeigt. Das ist nicht so weitweg von dem, wie wir denken. Wir sind mittendrin. Unsere Stärke ist, dass wir mehrere diakonische Einrichtungen in unserer Region aufbauen konnten: Die Diakonie hat einen Umsatz im Jahr von 54,8 Millionen Euro. Mit ungefähr 1700 Mitarbeiter erreichen wir über 5000 Patienten, Klienten und Familien im Jahr. Es gibt keine Kirche ohne Diakonie und keine Diakonie ohne Kirche.“

 Im Verlauf der Tagung stellten sich Vertreter der Pflegeeinrichtung des „Haus am Hang“ der diakonischen Dienste, der Lilienthaler Diakonie und das diakonische Werk in Osterholz-Scharmbeck so wie dem Kindertagessttättenverband den Fragen der Teilnehmenden und fassten die Ergebnisse für alle zusammen. Dabei wurde zum Beispiel deutlich aufgezeigt, wie notwendig und ausgelastet die Beratungsstellen sind.

 Es wurde deutlich, dass auf dem Land mit den vielen Fahrzeiten die Probleme noch größer werden. Lars Wellbrock von der Diakonie Lilienthal: „Vertrauen und Vernetzen, das sind die Schlüssel, wie auch das Wissen untereinander. Wir brauchen viel Personal. Wir können bereits heute Dienstleistungen nicht erfüllen, weil wir kein Personal haben. Das ist in vielen Köpfen bislang nichtangekommen und dabei sind wir erst am Anfang. Kirche und Diakonie müssen ihre Stimmen vorbringen, gerade auch auf politischer Ebene, damit wir den Herausforderungen angemessen begegnen können.“ Das Schlusswort zu diesem Thema gehörte der Vorsitzenden. Heike Schumacher: „Wir haben über viele Probleme gesprochen und auch aufgezeigt, wo und wie die Kirche wirkt und dass durch Diakonie ein Maß an Wertschätzung dazugehört. Kirche ist nicht nur Gottesdienst.“

Die halbe Pfarrstelle in Meyenburg ist seit dem Ruhestand von Pastor Otten im März 2023 vakant. Selbst eine deutschlandweite Ausschreibung führte zu keiner Bewerbung. Die Pfarrstelle soll nun für den Probedienst freigegeben werden. Dafür muss diese aber auf eine dreiviertel Stelle angehoben werden. Die zusätzliche Viertelstelle beinhaltet die Mitarbeit im Küchenkreis und ist auf drei Jahre und damit für die Dauer des Probedienstes befristet. Der Beschluss dazu konnte einstimmig gefasst werden.

 

Kirchenkreiskantorin Caroline Schneider-Kuhn und Kreisposaunenwart Florian Kubiczek berichteten von der Gründung des Fachdienstes Kirchenmusik. Momentan arbeite jeder für sich, und das soll sich nun unter einem gemeinsamen Dach im Fachdienst Kirchenmusik ändern. Kubiczek: „Wir wollen in die Öffentlichkeit. Dazu haben wir einen Flyer mit aktuellen Bildern und wichtigen Schlagwörter gemacht. Wir wollen zeigen, wer wir sind, sowie dass wir Qualität haben in der Ausübung und im Unterricht. Wir haben ein großes Angebot.“