Von der Warteschlange bis zum Einkauf - so läuft es bei der Osterholzer Tafel ab. Warum der Standort an der Loger Straße aus Sicht der Diakonie nicht ideal ist und sie gerne umziehen möchte.
"Ihre Karte bitte", sagt Annemarie Klotzke zu der Frau, die ihr gegenüber an der Brotstation in der Ausgabestelle der Osterholzer Tafel steht. Bereitwillig zeigt sie ihren Tafelausweis, auf dem die Anzahl der zu versorgenden Personen und der Ausgabetag vermerkt ist. Erst danach kann sie mit ihrem Einkauf so richtig beginnen. Klotzkes Station ist die erste, die die Kundinnen und Kunden der Tafel bei ihrem Einkauf anlaufen. Danach geht es zum Gemüse, zur Frischware, zum Obst und am Seitenausgang wieder raus. Das System habe sich durch die Pandemie ergeben, erklärt die Kirchenkreissozialarbeiterin Lotta Kohlmann. "Nur durch dieses Einbahnstraßensystem konnten wir damals aufmachen."
Viele Kundinnen und Kunden warten schon einige Zeit vor der Öffnung der Ausgabestelle vor dem Gebäude an der Loger Straße. Im Sommer verteilten sie Sonnenschirme und Wasser, bei Regen Regenschirme, erklärt Kohlmann. Ein System mit den Nummern der Tafelausweise, über das die Reihenfolge der Ausgabe an die Kunden organisiert ist, soll die Wartezeit so kurz wie möglich halten. Im wöchentlichen Wechsel wird über die Ausweisnummern auch geregelt, wer zuerst kommen darf. "So haben alle die Chance, mal erster zu sein", sagt Kohlmann.
Es ist unglücklich, dass die Kunden hier so auf dem Präsentierteller stehen.
Lotta Kohlmann, Kirchenkreissozialarbeiterin in Osterholz-Scharmbeck
So richtig zufrieden mit dem Standort der Ausgabestelle ist die Sozialarbeiterin nicht. "Es ist unglücklich, dass die Kunden hier so auf dem Präsentierteller stehen", meint Kohlmann. Durch die exponierte Lage direkt gegenüber des Gymnasiums, wo gerade zu Schulschluss viele Menschen unterwegs seien und teilweise auch argwöhnisch auf die Schlange blickten, vermieden einige Kundinnen und Kunden es, lange dort zu warten. "Die kommen dann meist ganz spät." Deshalb ist auch ein Umzug geplant. Im August soll die Ausgabestelle in der Innenstadt angesiedelt werden. "Uns ist wichtig, dass das keine Schmuddelecke ist", so Kohlmann.
Die Schlangen vor der Ausgabestelle seien an manchen Tagen lang, sagt Stephanie Thiele, Leiterin des Diakonischen Werks des evangelischen Kirchenkreises Osterholz. "In Wahrheit sind sie aber noch länger." Hinter jeder Person stünden im Schnitt noch zwei weitere Haushaltsmitglieder, die mitversorgt würden. So komme die Osterholzer Tafel auf etwa 30.000 Lebensmittelunterstützungen im Jahr bei zwei Ausgabetagen in der Woche mit jeweils etwa 100 Kunden. Ein großer Anteil, Thiele schätzt etwa 80 Prozent, der Kundinnen und Kunden habe einen Migrationshintergrund. Um bei der Tafel einkaufen zu können, muss die Bedürftigkeit nachgewiesen werden. Das gehe mit einem Sozialhilfe- oder Rentenbescheid. Danach werde der Tafelausweis ausgestellt, erklärt Thiele.
Eine Gruppe Frauen hat sich derweil in einem Stuhlkreis vor dem Gebäude zusammengefunden. Sie unterhalten sich angeregt. "Wir haben auch schon gesehen, dass sich die Menschen Thermoskannen mit Kaffee und Tassen mitgebracht haben", sagt Lotta Kohlmann. Die Tafel sei für viele auch ein Ort des Austausches mit anderen.
Hier können wir zusammen Deutsch sprechen.
Hussein Naseri, Kunde der Osterholzer Tafel
Das ist auch für Hussein Naseri der Fall. Der 37-Jährige ist vor etwa zwei Jahren mit seiner Familie aus Afghanistan nach Osterholz-Scharmbeck gekommen. Er komme auch zur Tafel, um Freunde zu treffen. "Hier können wir zusammen Deutsch sprechen", sagt Naseri. Seit einem Jahr mache er einen Sprachkurs. Der Einkauf bei der Tafel sei eine Ergänzung zum "normalen" Einkauf im Supermarkt. "Das Bürgergeld reicht nicht immer", erklärt er. Gerade in Monaten, wenn beispielsweise Ausgaben für Kleidung gemacht werden müssten, sei es da schon einmal eng. Deshalb komme er ein Mal in der Woche zur Tafel. Missbilligende Sprüche oder Anfeindungen von Passanten habe er dabei noch nicht erlebt. "Aber bei manchen Blicken merkt man, dass es ihnen nicht gefällt. Ich versuche aber, nicht daran zu denken."
Im Rahmen der Möglichkeiten bietet die Tafel ihren Kunden eine breite Auswahl. So können sie bei Annemarie Klotzke zwischen verschiedenen frischen und verpackten Broten, Brötchen und Baguettes wählen. Bei Martha Hellwig besteht die Gemüseauswahl an diesem Tag aus Kohlköpfen, Paprika, Spinat und frischen Kräutern im Topf. Mit dem Angebot ist Ramona Kastner, die die Sortierung der Waren im Auge behält, an diesem Tag ganz zufrieden: "Beim Brot könnte es etwas mehr sein, beim Gemüse und dem Obst ist es ganz gut. Wurstwaren sind eher rar." Mit Blick auf die Lieferungen merkten sie bei der Tafel schon, dass viele Supermärkte ihre Waren, die nur noch begrenzt haltbar sind oder Obst, das den ein oder anderen Schönheitsfehler hat, selbst vermarkteten.
Ein Fahrerteam fährt lokale Spender ab und sammelt so die Waren ein. Oftmals sind das lokale Unternehmen. Die Bäckerei Behrens habe zum Valentinstag einmal nicht verkaufte Torten gespendet, erzählt Lotta Kohlmann. "Es gibt aber auch Privatmenschen, die für die Tafel einkaufen." Gerade über Spenden von Babybrei oder Hygieneartikeln würden sie sich freuen. "Die sind auf den Paletten, die wir abholen, nämlich meist nicht drauf."