„Ich habe etwas zu geben. Zeit.“

Pressemitteilung Lilienthal, 22. März 2024

Ein halbes Jahr lang haben sich elf Frauen und Männer an sechs Wochenenden in der Pfarrdiele an der äußerst ruhig gelegene St. Georgkirche zu Sankt Jürgen in Lilienthal getroffen, um zu lernen, wie man Sterbende begleitet. Für diese Qualifizierung Ehrenamtlicher für die Hospizarbeit unter der Leitung von Doktor Maria Hartmann-Mrochen aus Bremen und Brigitte Gläser aus Oldenburg ist der Ambulante Hospizdienst des Diakonischen Werkes des Ev.-luth. Kirchenkreises Osterholz zuständig. 

Zu den Wochenenden gab es zusätzlich sechs Themenabende in den Räumen des Hospizdienstes, sowie ein sechs- bis achtwöchiges Praktikum in einer Pflegeeinrichtung. Ein ganz schön dickes Programm für die zum Großteil noch berufstätigen Teilnehmer, die dennoch ausnahmslos Positives zu berichten hatten und sich auf ihre Arbeit getreu dem Motto: „Es geht nicht darum dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben“ freuen. 

Die Gründe einer Teilnahme waren unterschiedlich. Shirin möchte einen Beitrag für die Gesellschaft leisten. Sie möchte ihre Erfahrungen zu Hause und in der Nachbarschaft mit dem Tod professionalisieren. Shirin: „Ich möchte einfach was Gutes in die Welt bringen. Mir geht es gut und dazu möchte ich auch andere Menschen in ihrem letzten Lebensabschnitt ermutigen.“

Irene Melzow aus Scharmbeckstotel ärgert es, dass die Sterbebegleitung in eine Tabuzone gerutscht ist und möchte sie da wieder rausholen. Melzow: „Früher ist man in der Familie gestorben und nicht ins Heim gekommen. Heute ist das Thema ‚alt werden‘ schamhaft ausgegrenzt. Dabei wünschen sich viele zu Hause zu sterben. Mit einer Begleitung wird dieser Wunsch einfacher ermöglicht, natürlich in Zusammenarbeit mit den Pflegediensten.“

Melzow ist voll des Lobes über den Kurs: „Man erfährt viel über sich selbst, kann traurige Situationen neu beleuchten. Das ist ein schönes Gefühl und es ist eine geborgene Gruppe, um Gedanken auszutauschen. Ich bin selbst überrascht über die Erkenntnisse, die wir über uns selbst erfahren haben. Wir haben uns immer aufeinander gefreut und sind jetzt alle ganz traurig darüber, dass der Kurs zu Ende ist. “ 

Auch Aenne Gula aus Ritterhude lobt den entspannten Umgang vor Ort und ergänzt: „Wir waren alle ohne Vorstellung, ob wir uns eignen und es wirklich wollen, es wirklich leisten können. Ich habe viel über Wahrnehmung, Kommunikation und Bedürfnisse anderer Menschen gelernt.“ „Die Atmosphäre passt. Ich habe mich getraut über viele persönliche Sachen zu sprechen. Hier hat man sich mehr geöffnet, als man es sonst macht“, pflichtete Melanie Seeger aus Vorberg hinsichtlich der Erfahrungen bei. 

Das Lob nahmen Gläser und Hartmann-Mrochen gerne mit. Hartmann-Mrochen: „Wir freuen uns über jeden Kursbesucher. Es gibt auch keine Verpflichtung fürs berufliche oder persönliche Umfeld und auch keine im Anschluss ein Ehrenamt zu übernehmen.“ Die Dozentin weiß, dass es oft Scham gibt den Hospizdienst anzurufen, da es ab diesem Zeitpunkt heißt, dass man am Lebensende sei. Man müsse dies anerkennen. Die Sterbebegleitung ist ein Dienst, der anzufragen ist, er kommt nicht von allein. „Manches Mal gibt es nur einen Besuch, dann kommt der Tod, andere begleiten wir über Jahre.“

Mit der Qualifikation begleiten die Sterbebegleiter in der Regel eine Person eine Stunde pro Woche. Der Bedarf ist groß. Häufig ist man Ansprechpartner für die Angehörigen. Melzow: „Die Betroffenen können sich dann gegenseitig schonen. Wir sind ein unbefangener Gesprächspartner.“ Hartmann-Mrochen ergänzt: „Das ist wohltuend für beide Seiten einen Dritten ins Boot zu holen, mit dem man sich dann austauschen kann.“ Mit dem Tod endet die Begleitung auch für die Angehörigen.

„Ich habe etwas zu geben. Zeit.“ So einfach fasst Brigitte Gläser den Kurs zusammen. Man gibt etwas, wovon man zu viel hat, ohne sich zu verausgaben oder zu überfordern. Gläser: „Es macht Spaß, sich über ein halbes Jahr lang zu treffen, sich kennen zu lernen, ein schwieriges Thema zu lernen.“ Unter den Teilnehmer waren auch zwei Männer, was selten vorkommt. Gläser: „Es ist toll, wenn Männer mitmachen und es ist auch notwendig, aber eben nicht selbstverständlich.  Frauen sind näher dran an der Begleitung, auch bei den Eltern. Töchter und Schwiegertöchter sind regelmäßig zuständig.“

 

Interesse geweckt? Der nächste Kurs startet im September 2024. Vorab wird es am 18.06.2024 in Lilienthal und am 28.05.2024 Osterholz-Scharmbeck noch zwei Infoabende geben. Die Anmeldung und weitere Informationen koordiniert Bettina Szlagowski unter der Telefonnummer 04791 80687 oder per E-Mail unter hospizdienst.osterholz@evlka.de